Absolut Body Control/The Actor - Split 7"
(ADSR/ Hardwax)
Bei dieser kuriosen Veröffentlichung handelt es sich tatsächlich um einen brandneuen Tonträger und auch wirklich um die jene beiden kultigen Projekte aus den 80ern, die eigentlich schon seit über zehn Jahren kein neues Material mehr produzieren. Beide sehr eingängigen Tracks wurden im Jahre 1983 nur auf Kassette veröffentlicht, und präsentieren sich toll remastered hier in ganz neuem, noch nie da gewesenem Glanz. Der Track von den niederländischen The Actor, „Deutsches Mädchen“, könnte bekannt sein, kam auch bei uns im heimischen Kato schon zu einigen Clubehren. Bei ABC („Five Minutes“) hingegen handelt sich um die erste Band von Dirk Ivens, der heute mit Dive wohl zurecht als EBM-Legende gilt. Diese einmalige Konstellation macht die limitierte Single im kargen, aber trotzdem reizvollen Artwork zu einem Must-Have nicht nur für Minimal-Elektronik-Sammler, sondern auch für geschichtsbewußte EBMler, Synthpopper und NDW-Fetischisten. Gruß nach Krefeld zum Labelmanager!
Uwe Marx



All My Faith Lost? - "The Hours"
(Cold Meat Industry/Tesco)
Nicht viele Worte der Einleitung ? Hier gibt es düsterstes Songmaterial aus Italien! Das Duo existiert nun schon länger, größeren Bekanntheitsgrad erreichte man aber erst in den letzten zwei Jahren, eben seit man zum kultigen Schwedischen Label wechselte; so dürften besonders ihre Beiträge zu den erfolgreichen ?All My Dead Friends"- und ?Flowers Made Of Snow"? Samplern des CMI-Labels Industrial- und Neofolk-Jüngern bestens bekannt sein. Das vorliegende neue Album beschert dem Hörer Gänsehaut; alte Vertreter des düsteren Musik kommen dem erfahrenen Hörer dabei in den Sinn, erzeugen Wehmut: Current 93, der ?Heavenly Voices"-Sound der 90er-Jahre und natürlich die großartigen Dead Can Dance schimmern an vielen Stellen der Albums als Inspirationen durch. All My Faith Lost? beweist mit dem Album ebenso wie geistesverwandte Bands wie Frozen Autumn oder Chants Of Maldoror einmal mehr, dass das Herz einer alten, puristischeren Gothic-Bewegung in Italien noch immer schlägt.
Uwe Marx



Astrea Redux - "Fractals"
(MetaWave Music/ Triton)
Neues von der Sammler- und Raritäten-Front! Für alle Leute, die nach musikalischen Neuendeckungen grundsätzlich nicht in der Gegenwart, sondern in der Vergangenheit suchen, gibt es mit „Fractals“ wiedermal einen sicheren Tip. Hier finden sich Songs, die die deutsche Elektronik-Wave-Band, die trotz einiger Veröffentlichungen in den letzten Jahren stets ein absoluter Insidertip blieb, zwischen 1984 und 1992 aufnahm und nie veröffentlichte. Teilweise haben diese Tracks sehr fragmentarischen Charakter. Fetischisten werden aber wohl genau dieses experiementelle, irgendwie unfertige an Songs wie „I Loose Control“ lieben und hingerissen dem Sound der alten Synthies lauschen. File Under: Neon Judgement, Snowy Red, Trisomie 21, Human League. Interessierte Neueinsteiger sollten deshalb eher auf das fast zeitgleich in diesen Tagen erschienene Album „Language“ oder die schon ein paar Jahre ältere Doppel-CD „So Very Distant“ zurückgreifen. Hier zeigt man sich wesentlich songorientierter und leichter zugänglich.
Uwe Marx



Birdmachine - "Alle stillen Völker"
(Unindentified Rec.)
Chris und Michael, die beiden Macher der Band und auch vom Label mit dem sehr passenden Namen, musizieren sonst bekanntermaßen unter dem Namen The Beautiful Disease. Es bleibt aber unklar, ob es sich bei Birdmachine nun um ein Seitenprojekt oder gleich um den Nachfolger besagter Band handelt. Denn beide Projekte haben vieles gemein: Die Liebe zur Psychedelic und zur Melancholie, sowie die scheinbar bedingungslose Hingabe zu den Legendary Pink Dots, die zu jeder Sekunde in Gesang, Texten, Produktion und Musik das Werk der beiden zu beeinflussen scheinen. Dieser Hinweis soll das vorliegende, wiedermals großartige Album aber nicht schmälern. Ganz im Gegenteil: ?Alle stillen Völker" gewinnt wirklich mit jedem Hören an Tiefe. Als Fan (und Rezensent) einer derart tollen CD steht man da vor dem ewigen Zwiespalt: Einerseits fühlt es sich gut an, Musik zu hören, die der Masse wohl für ewig verborgen bleibt, andererseits gönnt man es den begabten Musikern schon von vollem Herzen, einmal mehr als nur die üblichen paar hundert Stück ihres Albums zu verkaufen.
Uwe Marx



Closing The Eternity - "Northern Lights Ambience" (7”)
(Drone/ A-Musik)
Manche Platten strahlen bereits vor dem ersten Hören schon eine gewisse Magie aus. So ein Fall wie in den 80er-Jahren, wo Schallplatten häufig allein aufgrund des Cover gekauft wurden, ist auch die vorliegende 7“Single im schlichten schwarzen Cover mit aufgeklebten Bandsymbol aus Metal. Punkte gibt es zudem auch für Bandnamen und den Titel der EP, die beide den düsteren Dark Ambient-Sound der (noch) unbekannten Band perfekt illustrieren. Wie sagt das Label dazu? „This the perfect soundtrack to the red dawn of the north – Filed under: Aurora Borealis-Drones“. Stimmt, das Teil ist wirklich besser als jede Cold Meat Industries-CD der letzten Monate! By the way: Es wird mittlerweile echt Zeit für eine „Best Of Drone“-CD, die endlich einmal die Highlights von mittlerweile 80 Drone-Singles zusammenfasst. Am besten dann gleich als Doppel-CD, okay?
Uwe Marx



Concrescene - "Obscured By The Dark Years"
(Ahnstern/ Steinklang)
Eigentlich sollte an der Stelle des Bandnamens „Thieves Of Impresssions“ stehen; schließlich geht es um genau jene Gothic/Neofolk-Formation, die hier auf ihre „Dark Years“ 94/95 zurückblickt. Schon merkwürdig, dass der eigentliche Bandname nur als Fußnote auftaucht; immerhin zählte ihre Vinylsingle „Trifolium“ einmal zu den ersten (und damit gesuchtesten) Releases des Industrial-Labels No.1, Ant-Zen. Wahrscheinlich hat man in der schnelllebigen heutigen Musikwelt einfach nicht mehr darauf vertraut, dass die Band nach all’ den Jahren überhaupt stammt noch jemand kennt... Wie auch immer, die Süddeutschen präsentieren auf „Obscured By The Dark Years“ ihre ganz eigene interessante Mischung aus Neofolk, Heavenly Voices und Dark Ambient. Besonders beindruckend ist dabei der gute weibliche Gesang, Höhepunkt und Hit sicherlich das letzte Lied der CD „Autumn“, besagter kultiger Debütsingle entnommen. Auffallend gelungen ist zudem das Artwork der CD mit vielen S/W-Photos düsterer Sowjetmilitärs.
Uwe Marx



DAF - "Alles ist gut"
(Virgin)
Produziert von der mittlerweile verstorbenen Mischpult-Legende Conny Plank schufen Robert Görl, Musik, und Gabi Delgado, Gesang, gleich zwei Alben innerhalb des Jahres 1981, "Alles ist gut" und "Gold und Liebe". Die Qualität der einzelnen Kompositionen litt unter der zügigen Arbeitsweise unbestreitbar, doch die wütende Energie der beiden verfehlte ihre Wirkung auch trotz einiger schräger Momente keinesfalls. So kam die einmalige Mischung aus einfachsten Sequenzer-Sounds, punkig-druckvollen Schlagzeug und dem dominanten parolenhaften Gesang gerade zur richtigen Zeit, um den aufkeimenden NDW-Hype in eine andere Richtung zu lenken. "Richtige" Texte waren Fehlanzeige: Statt dessen glichen die Lyrics von Sänger und Performer Gabi Delgado, der das Projekt nach jahrelangen Streitereien als DAF/DOS in den neunziger Jahren allein weiterführte, eher purer Provokation. Durch eben jene textliche Provokationen ("Die lustigen Stiefel marschieren über Polen") wurde die umstrittene Band immer wieder als Nazis angefeindet. Für den Megahit des Albums, "Der Mussolini", wo die Band das Gruppenverhalten der meisten Menschen massiv angreift, hagelte es dann ein weiteres Mal die altbekannten Vorwürfe. Musikalisch noch wichtiger aber sind auf "Alles ist gut" das erstaunlich melancholische "Als wär's das letzte Mal" und das von Laibach erfolgreich gecoverte "Alle gegen alle". Unwissentlich initiierten sie mit Rhythmus und Habitus eine ganze Musik-Richtung, EBM, der allerdings erst knapp zehn Jahre nach DAF mit Bands wie Front 242 und Nitzer Ebb, die sich beide auf das deutsche Duo beriefen, seine Blütezeit erlebte. Aus heutiger Sicht unglaublich, daß eine derart extreme Musik damals auch kommerziell so gut lief.
Uwe Marx



Diskonnekted - "Neon Night" - CD
(Alfa Matrix/ Soulfood)
Das talentierte belgische Projekt bietet komplexe Sounds und eher melancholische Vocals; gute Haujobb, melodischere Front Line Assembly oder auch den ewig unterschätzten Neuroactive kommen dem Electro-Junkie da spontan in den Sinn. Musikalisch etwas aus diesem Rahmen fällt allerdings das düstere „Religion“ bei dem Johan Van Roy (Suicide Commando) die Vocals übernahm. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es wohl gerade dieser brachiale Track sein wird, der in nebligen Underground-Clubs für Furore sorgen wird – „See You In Hell“ sag’ ich da nur! Trotzdem ist das Album doch sehr homogen ausgefallen; am meisten Spaß macht es wirklich, „Neon Night“ von Anfang bis Ende komplett durchzuhören. Fazit: Moderne elektronische Musik, aber kein typischer EBM, Techno und schon gar kein öder Futurepop. Am besten also gleich das ganze aktuelle Diskonnekted-Paket besorgen; auch die limitierte Remix-Single „After Einstein“ und natürlich die Luxusfassung des Albums in DVD-Box mit Bonus-CD haben es in sich, sind wirklich großartig. Beste Electroband seit langem – Doppelschwör!
Uwe Marx




Echo West
- "Signalisti" - LP
(MDP)
Echo West dürfte den meisten völlig unbekannt sein, denn "Signalisti" ist der erste Tonträger des Projekts. Schon etwas bekannter in der Szene ist die Person hinter Echo West: Dirk (Hallo!), auch Sänger und Gitarrist der puristischen Gitarrengoth-Formation Fallen Apart. Musikalisch gibt es auf dem Album keinen Gothic, sondern Minimalelektronik völlig ohne digitalen Schnickschnack. Das gesamte Album vertraut komplett auf die warmen, bisweilen schrägen Sounds uralter analoger Synthies. Wer mit derartigem Vokabular wenig anfangen kann, dem sei gesagt, daß es musikalisch teilweise stark in die Richtung der letzten beiden Haus Arafna-Veröffentlichungen geht, allerdings ist das Material auf dem Album schon älter und dürfte so wenig beeinflußt vom überraschenden Stilwechsel der deutschen Industrialband sein. Wie sich das für eine authentische Minimal/Analog-Aufnahme gehört, ist die Klangqualität abenteuerlich und auch der Gesang sitzt nicht immer hundertprozentig. Trotzdem: Für Kenner und Freunde des Genres führt aufgrund der wirklich einmaligen Konsequenz des Projekts an dieser LP kein Weg vorbei.
Uwe Marx



Echo West - "Some Thought Us Dead"
(Cabinett/ MDP Distribution)
Negativ-Pop! Bei dem strangen deutschen Projekt handelt es sich unzweifelhaft um eine der momentan angesagtesten Erscheinungen in der Minimal-Elektronik-Szene. So erschien vor kurzem nicht zu Unrecht mit „Engelstür“ eines ihrer besten Stücke auf der 80er-Retro-Werkschau „NeuDeutsch“ des über alle Szene-Grenzen erhabenen Gigolo-Labels. Kommerzielle Eingeständnisse findet man auf dem neuen Album deshalb aber trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Noch mehr als auf dem erfolgreichen Vorgänger „Signalisti“ (wird bald als CD wiederveröffentlicht!) tauchen bei „Some Thought Us Dead“ zwischen den eingängigeren Songs auch immer wieder atonale Industrial-Elemente auf. Einige Hörer werden jene Tracks wie „Disput“ voraussichtlich verschrecken; andere lieben die immer sehr atmosphärische Analog-Band wahrscheinlich genau deswegen. Parallel zur CD mit einigen Bonustracks kommt das Album auch noch als obligatorisch limitiertes Vinyl heraus. Sammler und 80er-Puristen werden und sollten sich eher an dieses halten. Wenn alles klappt, ist die Band im Frühjahr bei uns live auf der Party zu erleben!
Uwe Marx



The Fair Sex - "Lost Traces From The Far Side" - MCD
(Endless/ EfA)
Selten zuvor war die Phrase vom „neuen Lebenszeichen“ so passend wie im vorliegenden Fall; 5 Jahre war die Band aus dem Ruhrgebiet völlig weg vom Fenster. Zwar erschienen in der Zwischenzeit mit Nice Gods Bleed und Testify noch ein paar allenfalls zwiespältige Projekte der beteiligten Köpfe, die aber trotz durchaus moderner Stilmittel nie wirklich die Gunst des Publikums trafen. Nun ist die Band in alter Besetzung wieder da und lässt durch pulsierende Elektronik, rockige (nie Metal-mäßige) Gitarren und den genialen, dezent verzerrten Gesang von Myk Jung die kreative Blütezeit des Genres mit Bands wie Alien Sex Fiend, Cassandra Complex oder Shock Therapy wieder aufleben. Überzeugend sind dabei wirklich alle vier Songs. Mit „The Far Side“ im bezeichnenden „Retrofuture Mix“ ist sogar endlich mal wieder ein richtiger Knaller mit von der Partie, der es tatsächlich mit bandeigenen Klassikern wie „Helpless Fall“ oder „The Pain That Noone Knows“ aufnehmen kann. In jedem Moment der knapp 20-minütigem EP hat man das Gefühl, dass die Leute wirklich wieder große Lust auf die gemeinsame Arbeiten hatten. Von der üblichen, groß angekündigten, typischen Reunion, wo es dann letztendlich mit äußerst dürftigem kreativen Output doch nur um die Kohle ging (z. B. wie bei The Cult) ist hier nichts zu spüren. Bleibt also wirklich zu hoffen, dass die Mühen und die ganze Energie, die die Musiker in die Songs und ihre Reunion-Konzerte gesteckt haben vom Publikum auch honoriert werden, sodaß im Herbst wirklich das komplette Album erscheint und vorher noch im Sommer einige schon jetzt geplante Konzerte realisiert werden können.
Uwe Marx



File Not Found - "Malfunction"
(FNF 01/ Eigenvertrieb)
Erfreulich viele neue Minimal-/Analog-Elektronik-Tontr äger und -Bands erblicken in der letzten Zeit das Tageslicht. File Not Found, die gekonnt die Veteranen der elektronischen Wave-Musik wie Fad Gadget und Snowy Red, Dark Day mit Vertreter der modischen Retro/Analog-Welle wie Artist Unknown oder Mogul kombinieren, zählen mit Sicherheit zu den ambitioniertesten Vertretern dieser neuen Independent-Strömung. Alle genannten Einflüße und noch unzählige mehr sind im Klangbild der Band, die sich aus Mitgliedern der schon etwas bekannteren Electronic-Band We rekrutiert, omnipräsent. Trotzdem ist das Ergebnis dieser Melange ein sehr eigenes. Insofern ist "Einflüsse" durchaus das richtige Wort, in keinem Moment wird "geklaut". Trotz Verhandlungen mit einigen Labels entschied sich die Band dazu, das Album in Eigenregie herauszubringen. Dies und die geringe Stückzahl von nur 300 Exemplaren sollten niemanden mit einem Faible für die genannten Bands daran hindern, sich dieses herausragende Werk zu sichern. Die einschlägigen Mailorder haben es jedenfalls mit Sicherheit im Repertoire. Wer trotzdem einen Kontakt braucht: DnotFound@web.de
Uwe Marx



Fliehende Stürme - "Lunaire ... spielt mit dem Licht"
(Major Records/Nix Gut)
Während man in den Neunzigern als treuer Fan teilweise mehrere Jahre vergeblich auf neue Lebenszeichen in Form von Gigs und Veröffentlichungen warten musste, befinden sich die melancholischen Punks in den letzten Jahren häufiger auf Tour und sind auch regelmäßig mit neuen VÖs am Start. Glücklicherweise hat die Intensität der Veröffentlichungen und Auftritte darunter nicht gelitten. Ganz im Gegenteil. Nachdem beim Vorgänger einige Songs in eine etwas andere Richtung tendierten, geht das etwas rohere Album wieder einen Schritt zurück in der Bandgeschichte; man spürt, dass die Band ihre Wurzeln im Deutschpunk hat. Sowieso sind Fliehende Stürme eine der ganz wenigen Bands, die ähnlich wie so viele im Underground der 80er-Jahre nicht auf Promotion und Hypes angewiesen sind, da sie über eine nicht kleine Schar unglaublich loyaler Fans verfügen. Das Album ist natürlich wieder grandios gut geworden; geht mit jedem Song unter die Haut. Ein überirdischer Track wie "Umarmung" vom Vorgänger "Licht vergeht" ist allerdings diesmal ausgeblieben. Aber, wie eingangs erwähnt, den richtigen Fans ist das eh egal. Sie werden auch aus diesem Album einmal mehr eine Menge Energie und Mut schöpfen, um den bisweilen tristen Alltag ertragen zu können. Heutzutage nennt sich bekanntlich jeder Mist "Kultband", dies hier ist wirklich eine.
Uwe Marx



Foetal Void - "Know EP"
(Geska/ Geska Europe)
Auf diesen Seiten sind diesmal zum Glück nicht nur diverse Comebacks zu vermelden, sondern auch ganz junge Projekte vorzustellen. Wenn also ein kanadisches Label eine junge belgische Band, die sich ganz dem Electro-Rock im Stile von NIN oder Zeromancer verschrieben hat, unter Vertrag nimmt, so kann diese so übel doch eigentlich gar nicht sein. In der Tat: Besagte Vergleiche sind keinesfalls nur wollwollend; die ganz junge Band erreicht wirklich, auch was Sound und Produktion betrifft, schon das Niveau der erwähnten Genre-Götter. Sehr überzeugend also, die 6-Track-Single; auch die zahlreichen Mixe gehen okay. Außerdem sollten die Macher der üblichen EBM und Clubhit-Sampler mal die belgische Band antesten, um ihrer Kundschaft vielleicht endlich mal wieder etwas anderes außer den ewig gleichen Bands zu bieten. Ich freue mich jedenfalls schon auf das komplette Album "Involuntary Human", das für den Herbst geplant ist!
Uwe Marx



Forgotten Sunrise - "Willand"
(My Kingdom/Masterpiece)
Manchmal meint es die Musikindustrie wirklich nicht gut mit den lieben Künstlern. Einen klassischen Fall stellt diesbezüglich das vorliegende Projekt aus Tallinn, Estland, dar: Talentiert und motiviert liefert man 2005 dem Label im weit entfernten Italien, wie vertraglich vereinbart, das wichtige zweite Album ab und es passiert ... Nichts ... Über ein Jahr und endlose Telefonate später liegt es nun vor, das neue Werk der Band um den Electronic-Nerd Anders Melts. Besagter Anders ist nicht nur ein wirklich netter Typ, ein toller Sänger und versierter Producer, sondern eben auch privat ein großer Fan anderer Künstler. Seine Einflüsse reichen dabei von US-Bands wie GGFH und Skinny Puppy über Nitzer Ebb bis hin zu Covenant oder Deine Lakaien, sodass mit ?Willand" wieder ein abwechslungsreiches, sehr vielschichtiges Electro/Industrial-Album entstand, das mit dezentem Gitarreneinsatz und seinen dunklen Vocals, die eher an Nephilim als an szenetypisches Gebrüll a` la Agonoize erinnern, in jedem Moment internationales Niveau erreicht.
Uwe Marx



Front 242 - "Front By Front"
(R.R.E.)
Schon in den frühen achtziger Jahren mit wavig-synthetischen Pop-Songs gestartet, erreicht die Band 1988 mit "Front By Front" ihren kreativen Höhepunkt und initiierte damit eine bald weltweit grassierende EBM-Welle, vor der sich auch seinerzeit nicht einmal hypertrendige Magazine wie "Tempo" oder "Wiener" drücken konnten. Wie schon auf dem Vorgänger "Official Version" (mit "Quite Unusual") schufen die vier Belgier zu der Zeit ihren ganz eigenen, sehr charakteristischen Sound, wo auch bei unbekannten Tracks schon nach wenigen Takten feststeht: Das sind Front 242! Hit der Platte war und ist "Headhunter"; noch heute ein Garant für eine volle Tanzfläche in den Underground-Clubs der Republik. Wenig später erschien dann das ebenfalls mitreißende und kommerziell erfolgreichste Album der Band "Tyranny For You". Danach ging in den neunziger Jahren leider stetig bergab mit der Band. Obwohl die Band offiziell noch existiert und dies bestimmt nicht gerne hört: Die großen Zeiten sind schon Jahre vorbei. In der Welt der elektronischen Musik zählen sie heutzutage nicht mehr zu den einflußreichen Größen.
Uwe Marx



Götterdämmerung - "Morphia"
(Nature Of Gothic/ Eternia Ltd.UK)
Bemerkenswerterweise existiert die holländische Band in der Tradition von Bauhaus und Red Lorry Yellow Lorry nicht erst seit Cinema Strange und dem großen Hype um den verstorbenen Rozz Willliams. So haben Götterdämmerung, die seit Ende der Achtziger Jahre an ihrer Vision von Gothic arbeiten, schon in den neunzigern schon zwei CDs beim damaligen Branchenführer für Gitarrengothic, dem Dion Fortune-Label, veröffentlicht. Diese Platten gingen damals leider etwas unter, wahrscheinlich, weil zu der Zeit die Szene eher nach neuen elektronischen Bands wie Das Ich oder Calva Y Nada verlangte. Auf dem vorliegenden Album haben die drei Boys diesmal auch eine Sisters Of Mercy-Coverversion, was normalerweise eine eher heikle Angelegenheit ist. Die Band aber interpretiert „Good Things“ gekonnt und konnte letztendlich dabei auch wenig falsch machen, denn erstens kennt den Song sowieso kaum jemand und zweitens ist das Original, da werden auch S.O.M-Jünger zustimmen, einer der miserabelsten Songs der Band überhaupt. Wer also auf oben genannten Vorbilder, also auch auf den so typischen Drumcomputer-geprägten, rauhen britischen Gothic-Sound steht, kann bei der CD kaum etwas falsch machen.
Uwe Marx



Gruntsplatter
- "The Aberrant Laboratory"
(Dark Vinyl/ DV Distribution)
Über 70 Minuten düsterstes Grollen und tragische Soundscapes - Seit der ersten Kassette „Bisect“ 1995 entführt einen Gruntsplatter nun schon verlässlich in dunkelste Klangwelten; Lustmord, Archon Satani, Inade & Co. lassen grüßen! Einmal mehr gibt es auf „The Aberrant Laboratory“ minimalistische Melodien, dezente Noises und eine fantastische Produktion zu genießen. Überhaupt nichts neues also, was der Amerikaner Scott E. Candey da in aller Abgeschiedenheit produziert, aber doch, um dies deutlich zu machen, Dark Ambient vom feinsten. Dass man dies leider in der Vergangenheit nicht von allen CDs des süddeutschen Genre-Labels behaupten konnte, weiß der Eingeweihte nicht erst seit doch eher mediokren Bands wie Melek-Tha...
Uwe Marx



Herbst 9 - "Eta Carinae"
(Loki/ Tesco)
In Industrialkreisen gelang ihnen vor einem Jahr mit ihrer CD "From A Dark Chasm Below" schon ein vielbeachtetes Debüt. Auch wenn sie damit den in Industrialkreisen eigentlich üblichen Weg, erst einmal Tapes, CDR's und Samplerbeiträge zu veröffentlichen, nicht einschlugen, wurde Herbst 9 schnell zu einem Namen, der Insider aufhorchen läßt. So stellt "Eta Carinae" wiederum ein kleines Meisterwerk des düsteren Dark Ambient-Sounds dar und steigert sich innerhalb weniger Tracks zu einem wirklich spannenden Werk, das auch für langjährige, beinharte Industrialsammler und deren Plattenschränke eine wirkliche Bereicherung darstellt. Bis auf ein paar sparsam eingesetzte Vocals und Samples lenkt nichts ab vom düsteren Fluß der hypnotischen Soundwälle. Kaum Rhythmus und keinerlei Melodien, statt dessen Atmosphäre pur! Wer z. B. auf die rituellen Sachen von Sleep Chamber oder auf Lustmord schwört, wird hier ein weiteres Mal fündig auf der Suche nach vertonter Kälte und Dunkelheit. Eine CD nur für Freaks und Spezialisten, aber für die ist das Werk wohl auch gedacht.
Uwe Marx



Im Namen des Volkes
- "Weisses Rauschen" (7")
(NLW/ Backgain)
Kein Rechtschreibfehler an dieser Stelle! Aber nicht nur in der Rechtschreibung steht man beim Hamburger Projekt fest mit beiden Beinen im Jahr 1981. Kein Wunder, deren erste 7"Single „Ich war da, leergebrannt“ erschien als eine der ersten deutschen NDW/Independent-Singles im Jahr 1980 und wurde schnell zum ultrararen Kultobjekt unter Sammlern. Auch „Weisses Rauschen“ mit seinen aggressiv-peitschenden Sequencerbeats klingt authentisch nach dem deutschen, recht harten Industrial-Underground der frühen 80er-Jahre; eine gelungene Mischung aus DAF und eben jener eigenen kultigen ersten Single. Aufklärung dazu bietet die Rückseite des Covers: Nein, gemeint ist nicht der obligatorische Spruch „Gewidmet allen Geisterfahrern dieser Welt“, sondern die Zeile darunter: „Produziert von Matthias Schuster im Geisterfahrer Studio 1979-1981.“ Aha, ein Pflichtkauf also nicht nur für die vielen Sammler des Genres, die sich im Moment scheinbar alles zulegen, was an alter NDW-Elektronik wieder neu herauskommt, sondern auch und besonders für jene, die sich seit Jahren eigentlich keine derartige Platte mehr gekauft haben.
Uwe Marx



Inade - "The Crackling Of The Anonymous"
(Loki/ Tesco)
Um es vorweg zu nehmen: Mystischer Industrial in Perfektion! Noch immer befindet sich das ostdeutsche Projekt auf der Suche nach m öglichst tiefen Frequenzen und geheimnisvollen Samples. "Crackling Of The Anonymous", dem Nachfolger des unlängst wiederveröffentlichten "Aldebaran"-Album, ist in dieser Mission ein weiterer Schritt nach vorn. Aus dem Projekt, das vor wenigen Jahren noch Tapes und Vinyl in Miniauflagen und Eigenregie herausbrachte, ist selbst eine Referenzgröße des gesamten Genres ‚Dark Ambient' geworden, der die alten Helden wie Lustmord oder Contrastate musikalisch und auch in der Gunst des Publikums ablöst. Ein Indiz dafür ist auch der große Erfolg von Inade in den USA und auch -kurioserweise- in Rußland. Wer auf wirklich mystische, atmosphärisch-tiefe Industrialsounds steht, wird also auch in nächster Zeit kaum an Inade vorbeikommen. Sammler, die es außerdem gerne rar und exklusiv mögen, sei zu der limitierten und äußerst schicken Vinylversion geraten. Allerdings schmälert es hier etwas den Hörgenuß, die Songs auf vier LP-Seiten auf 15 Minuten-Häppchen verteilt, zu konsumieren.
Uwe Marx



Information Society - "Synthesizer"
(Hakatak/Dancing Ferret)
Schon seit den 80ern aktiv ist die vorliegende Synthiepop-Band, deren erste Veröffentlichung im Jahr 1983 erschien, der später dann mit ?Running" sogar ein kleiner Hit gelang. Von einer Legende im Bereich der elektronischen Musik ist man allerdings weit entfernt - Das beweist auch das vorliegende äußerst mediokre neue Album; das erste übrigens seit 1992. Musikalisch zeigt man sich, auch wenn Albumtitel und Artwork etwas in diese Richtung deuten, weder "Retro", noch wirklich auf der Höhe der Zeit. Vielmehr dominieren hier trotz einigen Kraftwerk-Zitaten lieblose 0815-Sounds, wie man sie vom Techno der Neunziger-Jahre kennt. Der Gesang geht noch okay, die Texte aber sind unterirdisch ("You drive me crazy ... I like the way you groove"). Fazit: Der neue Ansatz der Band ist durchaus vergleichbar mit dem Sound des großartigen Apoptygma-Ablegers Fairlight Children. Nur leider ist "Synthesizer" nicht so überzeugend ausgefallen; gute Laune kommt hier nicht auf! Information Society scheinen also weder für die Historiker des Genres, noch für Freunde von aktuellem Synthpop wie von De/Vision oder Mesh eine Empfehlung wert.
Uwe Marx



Kiss The Blade
- "Some Become One" - 7"
(Skulptur 23/ UpSolution)
Neben Cinema Strange handelt es sich bei den Österreichern KTB wohl um die einzige puristische Gitarren-Gothic-Kombo dieser Tage, die auch über den absoluten Underground hinaus kommerziell durchaus erfolgreich arbeitet. Wie nicht anders zu erwarten, so knallen auf der Single dem Hörer Drumcomputer und jene charakteristisch wimmernden Gitarren, die man von Göttern des Genres wie Virgin Prunes oder alten Christian Death kennt und schätzt, nur so um die Ohren! Überraschenderweise erweist sich dabei die anachronistische 7"-Single als ideales Medium für die Band, die mi persönlich gerade auf ihren frühen Werken auf die Dauer einer ganzen CD-Spielzeit immer etwas eintönig daherkam. Ergo: Beide Tracks, besonders der Titeltrack, der wohl beliebteste Song des letzten Albums "Heartbeat Amplified", sind echte Gothic-Hits. Für eine Picture-Platte ist der Sound erstaunlich gut, normalerweise taugen diese Teile ja eher als Sammelobjekt denn als Tonträger. Anhand der fast schon dekadent kleinen Auflage von nur 100 Stück geht auch die abschließende Standartphrase ausnahmsweise einmal leicht von der Hand: "Schnell zugreifen!"
Uwe Marx


The Klinik
- "Face To Face"
(Antler-Subway)
Schon der Titelsong ist Programm: Extrem düster, eiskalt ohne Emotionen. Irgendwie karg. In den 80ern gab es wohl kaum eine Band, die sich in ihren Texten, im Auftreten, in der Musik und bei ihren Konzerten derart eindrucksvoll düster gab. Deshalb waren sie eine der wenigen aus dem EBM- Umfeld stammende Band, die auch in Industrial- und Gothic-Kreisen höchstes Ansehen genoß. Eine weitere Band also, die weit mehr zu bieten hat als ihren einzigen großen Underground-Disco-Hit "Moving Hands", der parallel zu "Face To Face" entstand, aber zeitgleich gesondert auf der Maxi "Fever" veröffentlicht wurde. 1992 dann der Split: Die Differenzen zwischen Sänger Dirk Ivens und Komponist Marc Verhaeghen erreichen ein Niveau, das eine weitere Zusammenarbeit unmöglich macht. Verhaeghen arbeitet fortan allen unter dem Namen The Klink weiter; Dirk Ivens feiert über die gesamten neunziger Jahre hinweg große Erfolge mit seinem Soloprojekt Dive. Marc Verhaeghens Weg nach dem Split der Band ist weniger erfolgreich. Seine anfangs noch interessiert verfolgten Werke fallen mit jeder Veröffentlichung bei Kritik und Publikum zunehmend durch. Negativer Höhepunkt dieser Phase ist 1998 das von völlig belanglosen elektronischen Soundspielereien geprägte Album "Blanket Of Fog".
Uwe Marx



Kraftwerk - "Die Mensch-Maschine"
(EMI)
Die Götter der elektronischen Musik überhaupt, klar. Es ist gerade aus heutiger Sicht noch immer unglaublich, was für einen wegweisenden Tonträger die Band aus Düsseldorf da im Jahre 1978 herausbrachte. Vorbei waren die Zeiten des Experimentierens mit Klängen, die die Band in den frühen Siebzigern in die Nähe von Krautrock und Jazz brachte. Jetzt stehen nicht nur die Sounds im Mittelpunkt, sondern auch Arrangements und Komposition. Zumindest einen Song auf "Mensch-Machine" dürfte jeder kennen: "Das Model", das erst Jahre nach seiner eigentlichen Veröffentlichung im Sog des großen NDW-Hypes zum kommerziellen Mega-Seller wurde und schließlich später auch von Rammstein in einer Phase kreativer Schwäche gecovert wurde. Noch beeindruckender auf der Platte für Kenner: Das weniger bekannte, monumentale "Metropolis". Zum Kernbestand der Band und auch der elektronischen Musik überhaupt gehören neben "Die Mensch-Machine" noch das vorher entstandene Album "Trans Europa Express" (1977), sowie "Computerwelt" (1979). Jeder, der, sei es auch nur periphär, elektronische Musik hört, sollte diese drei Alben der Paten von EBM, Techno & Co im Regal stehen haben. Der Zugang zu ihrer Musik fällt dabei viel leichter, als man denkt.
Uwe Marx



DAS M - "Leidenschaft und Produktion" LP
(Hertz/Kernkrach)
Ein interessanter Ansatz, endlich einmal die 90er-Jahre (und eben nicht immer nur die 80er) nach verschollenen Aufnahmen zu durchforsten. Gerade hierzulande war ja eigentlich das die kreative Blütezeit von Darkwave, Gothic und EBM... Damit wäre also klar, worum es hier geht, nämlich um die Zusammenstellung unveröffentlichter Tracks. Auch wenn der deutschsprachige Electro-Wave des Einmannprojekts von Martin Haidinger hauptsächlich aus besagten 90er-Jahren stammt und durchaus gefällig produziert ist, so ist er stilistisch doch spürbar durch das vorangegangene Jahrzehnt geprägt - Bitte weiterhören bei Aviador Dro, Alien Skull Paint, Welle: Erdball, Kraftwerk & Co.! Zu erwähnen ist hier zudem die wunderbare Covergestaltung (Klappcover mit Linernotes, allen Texten, einer Banderole und bedrucktem Innencover), das transparente Vinyl, sowie die Limitierung auf magere 500 Exemplare; davon die ersten 100 mit T-Shirt. Aber noch mal zurück zur Musik: Leute, das Album ist wirklich unglaublich gut; fast wie eine Best Of-Compilation! Da überrascht es nicht, dass ein weiterer Longplayer und eine Single schon fest eingeplant sind. Ach ja: Erwähnte ich schon das fantastische Artwork?! Wahnsinn.
Uwe Marx



Martyn Bates/Troum - "To A Child Dancing In The Wind"
(Transgredient/ Target)
Dem poetischen Albumtitel wird das vorliegende Album gerecht; soviel schon einmal vorweg. Langjährige Kenner der beteiligten Künstler werden ohnehin wissen, in welche Richtung es auf diesem nur per Mail-Kollaboration entstandenen (und trotzdem klangtechnisch absolut brillanten) Werk geht: Um filmmusikartige Ambient-Tracks, die den zarten Gesang von Martyn Bates (Eyeless In Gaza) untermalen. Der melancholische Gesang des schon seit Anfang der 80er-Jahre im Underground aktiven Herrn Bates dominiert ganz klar die Split-CD im schicken Digipak, teilweise geraten dadurch leider die hypnotischen Noises der beiden Norddeutschen etwas in den Hintergrund. „To A Child, Dancing…” hat deshalb musikalisch viel von der Atmosphäre der „Murder Ballads“-Trilogie, die Martyn Bates in den Neunzigern zusammen mit M.J. Harris von Scorn veröffentlichte. Eine mehr als überzeugende CD, leider nur mit 38 Min. Spielzeit.
Uwe Marx



Linija Mass - "Proletkult" - LP
(MDP/ MDP)
Das Debütalbum des schon seit einiger Zeit in tiefsten Undergroundgefilden tätigen russischen Projekts aus St. Petersburg wendet sich inhaltlich dem russischen Konstruktivismus der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zu. Musikalisch wird dementsprechend auf "Proletkult" anachronistisch anmutender Industrial geboten, lärmende Maschinenmusik im Stile von SPK, den deutschen Avantgarde-Helden Einstürzende Neubauten zu deren kreativer Blütezeit in den 80er Jahren oder den ebenfalls auf Membrum Debile veröffentlichenden Maria Zerfall. Programmatisch sind dabei viel Stahlperkussion und sehr ausgefallene (in diesem Fall ausnahmslos russische) Stimmsamples; Industrial aus der Zeit vor Labels wie Ant-Zen der Hands eben. Für Nichteingeweihte ist das ganze wohl nur anstrengend, für Kenner durchaus ein Genuß. Die Retrowelle, die neben der elektronischen Musik auch den Gitarrengothic mit dem Aufleben längst vergessener Spielarten wie Deathrock oder Batcave erfasst hat, scheint nun auch den Industrial erreicht zu haben, wo sich einige Künstler nach Jahren des Experimentierens mit populäreren Strukturen erfreulicherweise wieder auf die Ursprünge dieser Musik besonnen haben.
Uwe Marx



Melek-Tha - "Evil Indoctrination"
(Dark Vinyl/ DV Distr.)
Okkult-inspirierten Industrial mit Hang zum Bombast bekommt hier der Hörer auf der Suche nach möglichst düsteren Soundwällen geboten. Satanische Klischees jedenfalls werden von Melek-Tha-Mastermind Lord Evil(...) keine ausgelassen: Coverartwork, Bandlogo und auch Songnamen wie „In Hell We Trust!!“, lassen deshalb eher auf eine drittklassige Black-Metal-Band, als auf ein ambitioniertes Industrialprojekt schließen. In der Tat ist der hier dargebotene Industrial weder originell noch richtig gut. Richtiger Death-Industrial klingt anders; nachzuhören auf den CDs von Atrax Morgue, Brighter Death Now & Co. Dies hier ist eher ein Fall für den Kindergarten, nicht für den Zellentrakt der irren Massenmörder. Ein fetter digitaler Dropout bei Track 2, dem Titeltrack des Albums, zeigt zudem, dass wohl auch das Interesse des Labels am eigenen Produkt sehr gering ist. Normalerweise müsste so etwas beim Anhören des Masterbandes oder spätestens aber bei der fertigen CD, auffallen.
Uwe Marx



Merciful Nuns - "Exosphere VI" Neu
(Solar Lodge/Alive)
Einige wenige Bands streifen mit ihrem Werk Zonen, die nicht von dieser Welt stammen zu scheinen. Dieses Jenseitige taucht in den Werken von Künstlern wie Coil, Legendary Pink Dots oder Fields Of The Nephilim auf. Oder eben bei vorliegender Band. Welchen Schalter Macher Artaud Seth nach dem Ende seiner alten, irgendwann im Mittelmaß versackten Band Garden Of Delight umgelegt hat, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben. Fakt ist, dass gleich das erste Album "Lib.I" viele Momente besaß, die eine ganz besondere Magie ausstrahlen. Auch das mittlerweile sechste Album der Band offenbart mit Songs wie "The Passing Bell" diese entrückten Momente, wo man sich fragt: "Wenn es möglich ist, eine derartige Spiritualität in Musik zu übersetzen, warum machen das dann nicht auch andere Musiker?" Also, an diesem Album kommen überzeugte Gothics ebenso wenig vorbei wie an den anstehenden Konzerten zusammen mit besagten Nephilim. Besonders zu empfehlen ist das Album als limitiertes Package mit der schon jetzt raren EP "Supernovae" und einem schicken Shirt.
Uwe Marx



Monuments - "XXVII"
(Anna Logue/Backagain)
In den letzten Jahren als reines Vinyl-Label mit Fokus auf dem elektronischen New Wave der frühen 80er aktiv, liegt nun die erste CD des deutschen Labels vor. Das Medium ist ein anderes, das musikalische Feld bleibt das gleiche: Hier handelt es sich nämlich um die Wiederveröffentlichung der Mini-LP "Age" aus dem Jahr 1984; remastered und mit vielen (überzeugenden) Bonustracks versehen. Auch wenn es aufgrund der hohen Qualität des Albums unwahrscheinlich klingt, Monuments, bestehend aus Andrea Costa and Mauro Tavella, haben tatsächlich nur diese eine Platte veröffentlicht! Diese allerdings ist bei Sammlern unvergessen, gilt als Meilenstein melancholischer Popmusik. Also kurz zum Sound der beiden den Italiener, die auf sehr ähnlichen musikalischen Pfaden wie Astrea Redux und Twilight Ritual wandern: ?XXVII" ist sehr poppig, aber mit Hang zur Pathetik ausgefallen. Sehr warm und akustisch vom Sound her, aber doch voll-synthetisch instrumentiert. Großartig besonders ist der Song ?Clock's Room"! Ihr habt es schon verstanden, dies ist sicherlich kein Stoff für ein Millionenpublikum da draußen, für Freaks und Kenner aber zweifelsohne ein Fest.
Uwe Marx



Moonchild - The Moonchild Collection
(Schwarzrock/SPV)
Bei der Unzahl an Veröffentlichungen ist es nicht verwunderlich, daß sogar dem geneigten Hörer hin und wieder mal eine gute Platte durch die Lappen geht. Besonders schade ist dies im Fall von Moonchild, einer deutschen Formation, die uns nach inzwischen bereits vier regulären Alben einen Querschnitt durch ihr durchaus interessantes musikalisches Schaffen bietet. Treibender Gothic-Rock mit teilweise doch etwas rockigen Anleihen, die aber selten überzogen wirken, und einer Frauenstimme, die irgendwo zwischen Kirlian Camera und Inkubus Succubus pendelt. Überhaupt läßt sich der Sound gut mit letzteren vergleichen. Besondere Highlights auf der 14 Tracks umfassenden "Best of" ist für mich das einigen von Euch vielleicht bereits durch die Hex-Files-Compilation bekannte "Shed No Tear" sowie das sphärisch-brachiale "Holy Mass" (vom 1994er Lunatic Dreams-Album). Mit zwei neuen Songs wird uns auch gleich noch ein Vorgeschmack auf das neue Album geliefert. Bleibt nur zu hoffen, daß der Band bald der Erfolg beschert wird, den sie sich schon längst verdient hat. Alex B.



Nash The Slash - "And You Thought..."
(Cutthroat Prod./ Genetic Music)
In Kanada und den USA war das kauzige Einmannprojekt vor allem durch gemeinsame Konzerte und Produktionen mit Gary Numan weit über den Underground hinaus erfolgreich. Hierzulande eher ein Insidertipp, waren die durchaus zahlreichen Platten der Band doch nur schwer oder eben gar nicht erhältlich. Allenfalls "Dance After Curfew" vom vorliegenden 1982er-Album hat sich hartnäckig in einigen Wave & Gothic-Clubs (so auch bei uns...) seit nun schon fast 20 Jahren festgebissen und dürfte deshalb vielleicht wenigstens dem ein- oder anderen schon bekannt sein. Nun hat die Band löblicherweise alle alten Aufnahmen systematisch unter dem alten Labelnamen erstmals auf CD aufgelegt; weitere Re-Releases werden also noch folgen. Konsequenterweise ist der erwähnte einzige Mini-Hit in beiden erhältlichen Versionen auf der CD enthalten; also auch im gesuchten "Club-Mix". Weiterhin wurde "And You Thought..." durch einige unveröffentlichte Tracks aufgepeppt.
Uwe Marx



Noblesse Oblige - "Affair Of The Heart" CD Neu
(Repo/Alive)
Lasst euch nix erzählen, von wegen Mischung aus "Elektropunk, Chanson Pop und Voodoo-Sound"! "Affair Of the Heart" ist ein lupenreines Popalbum. Klar, sehr synthetisch und sehr 80er/Retro-mäßig. Aber eben Pop. Das Album kommt etwa 25 Jahre zu spät - 1988 hätte man damit zwischen weiblichen Acts wie Valerie Dore ("Get Closer"), Prinzessin Stephanie ("Irresistible"), Desireless ("Voyage Voyage") oder Sandra ("Maria Magdalena") den ganz großen Wurf landen können. Aber auch heute ist das ganze natürlich reizvoll. Diese Glamourwelt der Popmusik scheint ohnehin die Welt zu sein, wo Valerie Renay und Sebastian Lee Philipp hinwollen. Da wundert es schon ein wenig, dass dies Album gerade beim Label der Funker Vogt-Macher herauskommt. Was hingegen nicht verwundert, eben weil es ganz wunderbar passt, ist, dass das Werk von Chris Corner (IAMX) in seinem Turmwerk Studio produziert wurde. Nur: Die Coverversion von "Hotel California" ist übrigens genauso fürchterlich, wie man das vorab annehmen konnte und kommt einer Hinrichtung des alten Radio-Hits gleich ... Mon Dieu!
Uwe Marx



Penitent - "Songs Of Despair"
(A Beyond... Prod./ Masterpiece)
Vielen mag Penitent noch als eine recht frühe Band des kultigen schwedischen Cold Meat Industries-Labels in Erinnerung sein. Trotz der Tatsache, daß eine Veröffentlichung auf diesem Label in Industrialkreisen durchaus als eine Art Ritterschlag zu verstehen ist, konnte die Band daraus nie richtig Kapital schlagen. Ganz im Gegenteil, denn schon damals konnte das Einmann-Projekt um Karsten Hamre nicht wirklich überzeugen, zu kitschig und klischeehaft kam ihr Neoklassik-Bombast daher und war immer Lichtjahre entfernt von vergleichbaren Bands wie Autopsia oder In The Nursery. Negatives Glanzlicht war dann vor einiger Zeit die Neuinterpretation der Musik Beethovens auf "Maestro Beethoven". Nun startet der "Meister" mit Bernt Sunde als neuem Personal an seiner Seite neu durch und präsentiert sich plötzlich stark Metal-beeinflußt. Wie zu befürchten war, blieb dabei ein Geniestreich erneut aus. Statt dessen gibt es auf den zu allem Übel noch ganz mies produzierten "Songs Of Despair" völlig uninspirierte Metal-Riffs, die übliche aufgeblasene Pseudo-Klassik aus dem Synthie, sowie Black-Metal-Gekreische zu hören. Was für ein unglaublicher Schrott...
Uwe Marx



Peter Murphy - "Unshattered" - CD
(Fullfill/ SPV)
Etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung in den USA kommt es also nun zeitgleich mit dem Soloalbum von Daniel Ash (ebenfalls Bauhaus) auch hierzulande raus, das neue Solo-Album des exaltierten Bauhaus-Sängers. Wie gehabt ist „Unshattered“ weder jung, wild, noch besonders schräg, sondern ruhig und dezent melancholisch ausgefallen. Definitiv also etwas für den älteren Wave-Hörer; ein Knaller wie der unsterbliche KATO-Hit „Cuts You Up“ lässt sich auf dem Album aber leider doch nicht ausmachen. Batcave oder Gothic ist das ganze nicht, so avantgardistisch wie ihn Bauhaus vor Jahren zelebrierten, schon gar nicht; schließt aber nahtlos an die seinerzeit recht erfolgreichen Solo-Alben „Deep“ und „Love Hysteria“ an. Akustische warme Rock-Musik halt.
Uwe Marx



Phelios - "Dimension Zero" - 2CD
(ES/Dark Vinyl)
Einmal mehr Dark Ambient-Soundscapes: Düsterste Soundwälle, die an versunkene Kulturen erinnern und zum Meditieren und Sinnieren verführen; monumentale Klangwelten zweifelsohne außerirdischen Ursprungs. Nach dem phänomenalen Debütalbum (?Images And Spheres") und einer CDR (?Passage"), beide limitiert und schnell ausverkauft, gibt es nun also endlich neues Material vom deutschen Einmann-Projekt. Besonders erwähnenswert ist dabei die Bonus-CD mit Remixes befreundeter Künstler von und für Phelios, die ganz im Gegensatz zu einigen ähnlich konzipierten, ziemlich ärgerlichen Releases im Bereich Electro/EBM in jüngster Zeit weder stilistisch noch qualitativ abfällt. Überzeugend zudem die aufwändige Produktion des Albums, das mit seinem kristallklaren Sound eine sakrale Stimmung verbreitet. Kein Wunder also, dass man zusammen mit den Cold Meat Industries- Helden Atrium Carceri kürzlich einen Soundtrack bestritt... Kurz: Phelios zählen trotz der Tatsache, dass die Band noch gar nicht soo lange existiert, schon jetzt neben Troum und Inade zu den etablierten Dark Ambient-Kräften im Lande.
Uwe Marx



The Rorschach Garden - "The Rorschach Garden"
(Bazooka Joe/ Minuswelt)
Newcomer oder doch alte Hasen? Ein paar Veröffentlichungen auf Tape, CDR und Vinyl hat das westfälische Electro-Projekt ja schon vorzuweisen, aber ein „richtiges“ CD-Album hat der Ableger der kultigen Industrialbands Ars Moriendi und Synapscape noch nicht veröffentlicht. Dieser Zustand ändert sich in diesen Tagen; auch durch die Hilfe von In Strict Confidence-Chef Dennis Ostermann, der über sein Label Minuswelt nun auch erstmals einen Minimal-Act herausbringt. Denn um Minimal-Elektronik handelt es sich auf alle Fälle: TRG-Kopf Philipp Münch lebt hier seine Vorliebe für harmonischen 80er-Electro-Sound im Stile von Boytronic, Rational Youth und Kraftwerk, voll aus. Selbstverständlich mit dabei: Einer der größten Kato-Hits der letzten 2-3 Jahre, „State Protection“. Genial! Ganz am Rande: Es ist schön zu sehen, dass es auch heutzutage einer Band mit Energie und Konsequenz doch gelingt, im Musikbiz weiter zu kommen. Die vorliegende CD ist der beste Beweis dafür, dass es so etwas wie Gerechtigkeit in der Musikwelt doch gibt!
Uwe Marx

 


Matthias Schuster - "Atemlos"
(NLW/ SX Distribution)
Bei Musikveröffentlichungen spricht man in seltensten Fällen von Ausstattung; in diesem Fall ist aber die lobende Erwähnung eben jener „Ausstattung“ wirklich angebracht (nicht nur weil das Album in einer schicken DVD-Box ausgeliefert wird!). Schließlich bekommt zusätzlich zum wiederveröffentlichten Minimal/NDW-Klasssiker von 1981 noch ein ebenso hübsches wie informatives Booklet, sowie massig Bonustracks mitgeliefert. Wobei es gerade dieses Bonusmaterial nicht nur vom Kultfaktor her wirklich in sich hat: Beide angehängten Platten, die „Ritual“-12“ und auch „Im Namen des Volkes“-7“, sind noch legendärer (und zudem auch gesuchter) als die eigentliche „Atemlos“-LP. Also kurz zusammengefasst: Die erste CD-Veröffentlichung des norddeutschen Underground-Helden, der sich auch unter anderem als Kopf der Wave-Punkband Geisterfahrer einen Namen machen konnte, dürfte ohne Übertreibung eine der wichtigsten und gelungensten Wiederveröffentlichungen in diesem Bereich in den letzten Jahren sein; auch wegen der wertigen Aufmachung.
Uwe Marx

 


Second Decay - "Kaltes Weisses Licht" - MCD
(Quiet Man/ Nova Media)
Mit dieser Maxi haben sich die Wave-Popper aus dem Ruhrgebiet einem chirurgischen Eingriff der abenteuerlichen Art unterzogen: Sie ließen Stücke im Dance-Gewand von kommerziellen Techno-Produzenten remixen. Vom Sound her klingt das Ergebnis dieser Zusammenarbeit nicht etwa wie im Moment angesagt, retromäßig, sondern eher nach der Soße, die man bei Viva den ganzen Tag um die Ohren geklatscht bekommt. In diesem fast schon housigen Stil sind drei Songs auf der Maxi: Der Titeltrack (remixt von Ravelab), ein Remix des bandeigenen Klassikers "Für Immer" von Egotrip und ein Remix von "Land unter mir" von den mir unbekannten Digital South. Wirklich typische Second Decay-Songs sind immerhin die beiden anderen Songs, "Format" und "Kaltes weisses Licht" (Second Decay-Version). Ersterer ist eher mittelmäßig und wohl auch nicht auf dem nächsten Album enthalten, der andere wirklich fantastisch ausgefallen und zählt mit Stücken wie "Hinter Glas" oder "Media Twin" zu den Highlights der Band überhaupt. Normalerweise ist bei Besprechungen von Maxi-CDs zum Schluß immer von "für Fans ein Muß" die Rede; hier liegt der Sachverhalt wohl genau andersherum. Diplomatisch ausgedrückt: Geschmacksache; aber hier sind wir ja unter uns, deshalb: Finger weg!
Uwe Marx

 


Shock Therapy - "Live From Hell" - CD Neu
(IAS/Echozone)
Natürlich kein neues Album, denn Shock Therapy-Kopf Itchy ist nun schon fünf Jahre tot. Aber eine unveröffentlichte Liveaufnahme. Immerhin. "Live From Hell" dokumentiert einen 1995er-Festivalgig, der im Rahmen der letzten Tour stattfand. Der Auftritt wurde angesagt von Fetish-Ikone Gen (Genitorturers) und eröffnete ein Gothic-Openair tief im Osten der Republik, das zu den ersten seiner Art zählte und leider schon am Folgetag im Chaos versank. Die vorliegenden Songs wurden nicht nachbearbeitet, nur klanglich restauriert - In erster Linie ist CD also ein Dokument und Sammlerstück für alte Fans, das aber musikalisch durchaus Wert besitzt. Die Band kommt hier straighter, rockiger, amerikanischer daher als auf den Studiowerken, die bisweilen fragil und elektronisch klingen. Beim vorliegenden Konzert sind sicherlich die gecoverten Gassenhauer von The Doors und The Stooges weniger von Interesse als die eigenen Tracks, von denen besonders "Exploration", "I Can't Let Go" und "Hate Is A 4-Letter Word" hervorstechen. Bei letzterem gab es leider bei der Aufnahme Aussetzer und Übersteuerungen, die nicht reparabel waren, sodass der Song etwas gekürzt werden musste. Und das ausgerechnet beim größten Hit der Band...
Uwe Marx

 


Ultrasound - "Death Comes..." - Ltd. 7"
(Drone)
Mit Ultrasound stellt sich ein weiteres nicht uninteressantes Industrial-Projekt aus den USA der noch immer wachsenden europäischen Industrial-Szene vor. Optisch ist die Single angenehm spartanisch aufgemacht. Hier dominiert nicht die „Handmade“-Ästhik der meisten anderen Drone-VÖs, sondern eher der kühle Charme vieler sehr karg designter Technoplatten. Vom Sound liegt allerdings eine ganz typische Drone-Veröffentlichung vor. So sind die beiden Songs mit den sehr strangen Namen „Death Comes From The Left“ und „A Fool Listens With His Ears“ auch im Bereich des sehr ruhigen, meditativen Ambient Industrial einzuordnen. So ist vielleicht auch für Ultrasound diese Single der Start in eine vielversprechende „Karriere“ im Bereich Industrial. Eine Veröffentlichung bei Drone war bekanntermaßen schon der Startschuss für Bands wie Inade, Contrastate oder Beequeen. Ach ja, Glückwunsch noch ans Drone-Label: Die Ultrasound-Platte ist deren 50. Veröffentlichung!
Uwe Marx

 


V-Sor, X - "A Strip Of Light"
(Genetic/ Triton)
Vor ein paar Monaten hier bereits mit einem kleinen Artikel angekündigt, ist das Album, wie für das Label Genetic schon typisch, mit einer satten Verspätung von fast einem Jahr nun endlich draußen. Geboten wird altes Material aus den achtziger Jahren, daß nie regulär veröffentlicht wurde und sich somit auf der CD –soundtechnisch erstaunlich gut klingend- zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert, vertreten. Trotz analoger Synthies en Masse kann man "A Strip Of Light" aber kaum als typisches Minimal-Elektronik-Werk bezeichnen, denn es sind auch eine Menge akustischer Instrumente im Klangbild zu vernehmen. Zudem sollte man dabei nicht Minimal-Partyknaller im Sinne von Welle Erdball oder frühen Depeche Mode erwarten, sondern eher alten Wave-Sound mit tief empfundener Melancholie. Brillantes Songwriting und toller Gesang führen auf dem Album ein weiteres Mal schmerzlich vor Augen, daß in den Achtzigern doch die bessere Musik gemacht wurde. Im Sommer soll dann vom gleichen Label eine 3LP-Box mit anderem, noch unveröffentlichtem Material diverser 80er-Underground-Künstler erschienen. Neben V-Sor, X sind u. a. noch Künstler wie Mark Lane, Absolut Body Control oder Twilight Ritual aus der gleichen musikalischen Ära mit dabei.
Uwe Marx



Velvet Acid Christ - "Hex Angel (Utopia-Dystopia)"
(Dependent/ Alive)
Auch wenn man sich beim Label in der Werbung immer ein wenig vom letzten Werk des durchgeknallten Amis, "Twisted Thought Generator", distanziert, "Hex Angel" ist die logische Fortsetzung des 2000er-Albums. Auch hier wechseln sich düstere Goth-Epen mit rhythmischeren Clubknallern ab. Egal ob nun eher ruhig oder doch etwas heftiger, in jedem Fall kann sich der Hörer ein wenig von der Energie die Bryan Erickson in die einzelnen Tracks hineingesteckt hast, wieder für sich selbst herausziehen. Was nach drei oder vier Songs klingt wie DAS Electro-Album auf das man nun schon seit Jahren wartet, erhält bei den Songs No. 5, 6 und 7 leider erste Dämpfer. Bei den recht billigen Beats dieser kompositorischen Nullnummern verfliegt die anfängliche Euphorie schnell. Rein rechnerisch ist man bei "Hex Angel" trotzdem voll im grünen Bereich: Die letzten drei Tracks auf dem Album verbreiten wieder genau jenes Gänsehautgefühl, das man sich von der Band so wünscht. Für Elektroniker mit einem Faible für komplexere Sounds und düstere Atmosphären, angeödet von 08/15-Futurepop und unzähligen Wumpscut- und Suicide Commando-Klone, ist "Hex Angel" wie ein kleiner Urlaub.
Uwe Marx

 


V/A - "The Exil-Sessions 1979-2004" - LP
(VOD/ A-Musik)
Auch wer nur ganz am Rande Minimal-Elektronik hört, sollte bei dieser Veröffentlichung aufhorchen, denn auf dem Album sind gleich zwei der wohl legendärsten Songs des Genres überhaupt vertreten: „Heimat“ von Weltklang und „49 Seconds Romance" von P1/E. Beide Songs stammen aus der Feder des Thomas Voburka, der zudem durch sein Label Exil System den Underground Westberlins der ganz frühen 80er-Jahre aufmischte. Entgegen des Titels stammen die Songs dieser wirklich hochkarätigen Wiederveröffentlichung bis auf einen neuen Mix allesamt aus den Jahren 1979 und 1980 und verbreiten damit noch einmal jenes Mauergefühl, das zu der Zeit auch das Werk der Einstürzenden Neubauten, die ihre ersten Sachen ebenfalls im Exil System-Umfeld veröffentlichten, als roter Faden durchzog. Berlin-Kult! Auch wenn die beiden erwähnten Klassiker unterdessen schon auf einigen CD-Samplern aufgetaucht sind, so muss der Sammler von Welt derartige Perlen schon auf Vinyl besitzen; es sei denn, man hat bereits die megararen Originale zu Hause stehen. Aber wer von uns besitzt die schon?
Uwe Marx

 


V/A - "Psychomania" - LP
(Pale Music)
Bei dem vorliegenden Sampler handelt es sich um die Werkschau des neuen Labels Pale, das hier seine Künstler vorstellt ("Enter The World Of Pale Music"). Mit dabei sind insgesamt fünf Bands/Projekte, die sich erfreulicherweise produktionstechnisch allesamt auf dem aktuellen Stand elektronischer Musik befinden. Am auffälligsten ist dabei Labelchef Steve Morell mit einer sehr noisigen, aber auch Drum'n Bass-angehauchten Version von Madonnas Heuler "Frozen". Geschmacksache! Punktsieger das Berlin-Frankfurt Projekt Metropolis um den in Berlin nicht ganz unbekannten DJ Ragnar. Hier gibt es düstere Elektronik mit sehr stilsicherem Gesang zu entdecken, das stark an älteres Material der unterschätzten Düster-Avantgardisten Operating Strategies erinnert. Außerdem am Start: Liquidated Error (im Stile von :Wumpscut, Flesh Field und Co.), Compromise (experimentelle Elektronik) und Mesina Convex (Noise). Underground pur!
Uwe Marx

 


Welle: Erdball - "Nur tote Frauen sind schön"
(Synthetic Symphony/ SPV)
Zuerst nur als Maxi-CD geplant, dann über Monate wie nicht anders von der schrägen Band gewohnt immer wieder verschoben, liegt jetzt keine normale Maxi-CD vor, sondern fast schon ein richtiges Album mit neun ausschließlich brandneuen Welle-Songs. Oberflächlich betrachtet nicht viel neues zu berichten: Deutscher Gesang, viel C64-Sounds; eine Menge Retro in Text und Musik also. Wer aber genau hinhört, wird aber doch merken, dass sich im Klangkosmos der beiden einiges getan hat, denn mittlerweile hat die Band ihren ganz eigenen Stil so perfektioniert, dass von den einstigen NDW-Vorbildern wirklich nichts mehr zu hören ist. "Susy hat Angst", der heimliche Hit der CD, ist so ein Song; das sind Welle: Erdball pur!. Außerdem ist mit "Das Präparat" mit einer Vielzahl an Samples ein komplexes, leicht altmodisches Stück EBM dabei, wie es Anfang der 90er Bands wie Leather Strip oder Mentallo And The Fixer nicht besser hinbekommen hätten. Auch der digitale Bonusteil für den Rechner hat es, wie immer bei den norddeutschen Anachronisten, wirklich in sich: Der Clip zu "1000 weiße Lilien" ist ebenso aufwändig, wie gelungen ausgefallen und gibt zudem auch ein wenig Auskunft über den doch kuriosen Titel des neuen Werkes.
Uwe Marx



Wolff - "Laut"
(Zweieck/ Flaster)
Bei Wolff handelt es sich um das schon länger angekündigte Ambient-Projekt des Dust Of Basement-Keyboarders und Komponisten Sven Wolff. Auf der schicken schwarzen CD regieren wie nicht anders zu erwarten vollelektronische Klänge, die mal dub-lastig, dann wieder eher experimenteller Natur sind; meistens allerdings recht eingängig und immer sehr atmosphärisch klingen. Thematisch dreht sich das bis auf einen Track ("Standsicherheit") rein instrumental gehaltene Album um Turmdrehkräne. Also nicht von seltsamen Songnamen wie "Nullstellung", "Funktionsprüfung" oder "Zick-Zack-Fahren" verwirren lassen: Die Songs auf "Laut" sind durchaus gut durchdacht und strahlen eine gewisse Ernsthaftigkeit aus. Bei Track 4, "Kippmoment" fühlt man sich sogar etwas an den Berliner Helden Skanfrom, der im übrigen sogar bei einem Track ("Funktionsprüfung") mit von der Partie war, erinnert. Label und Mini-Vertrieb mit den schrägen Namen rekrutieren sich im übrigen aus der Asche des ebenso schrägen wie liebenswerten und leider eingangenen Bodystyler-Magazins, denen man für ihren Labelstart nur alles gute wünschen kann. Kontakt: www.flaster.de
Uwe Marx

eccentricworx